Freitag, 8. April 2011

Re-Christianisierung


(2011)

Die Re-Christianisierung der deutschen Öffentlichkeit ist unübersehbar. Keine Talk-Show und keine Ethik-Kommission ohne Klerikale. Grundgesetzfeiern finden im Berliner Dom statt. Das Management großer DAX-Konzerne trifft sich nicht mehr auf dem Golfplatz, sondern zum Kirchgang. Es gehört heute zur vielbeschworenen "neuen Bürgerlichkeit", die Kinder wieder taufen zu lassen. Während des Höhepunktes der Finanzkrise gaben die Kirchen mit Stichworten wie "menschliche Gier" und "Tanz um das Goldene Kalb" die Richtung der Kapitalismuskritik vor. Die steuerfreien Kirchenkonzerne (Diakonie und Caritas) kontrollieren große Teil der Sozialeinrichtungen und Krankenhäuser. Die Beschäftigten dort sind zur Kirchenmitgliedschaft verpflichtet und haben kein Streikrecht.    

Legitimiert wird diese neue Gläubigkeit, die natürlich "ungeglaubter Glaube" (Adorno*) ist, nicht zuletzt mit der weltweiten Re-Islamisierung. Man will dem Islam also nicht Aufklärung entgegen setzen, sondern einen anderen Aberglauben.


* Theodor Adorno „Aberglaube aus zweiter Hand“, in: Soziologische Schriften, Band 1, S. 145-176